Starten, Fliegen, Landen

Im Laufe der Woche wurde es immer wärmer, Samstag ist die Luft um 0°C und ungewöhnlicherweise regnet es. Trotz Split aus Streuwagen verwandelen sich alle Straßen und Wege in Eisbahnen. Dazu stürmt es. Die Meteorologen haben das vorausgesagt, wir schlafen aus. Am Wochenende fehlt die fehlende Sonne besonders.

Am Abend beratschlagen wir die Situation. Der Wind ist extrem böig. Das Flugzeug könnte starten und fliegen, die Landung wäre im Lee der Berge aber ein Risiko, besonders für die wichtige 5-Loch Sonde und das Platindraht-Thermometer. Die „normale“ Sensorik Temperatur, Feuchte, Druck und Windbestimmung reichen nicht.

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Der Ballon kann ohnehin nur bei wenig Wind aufsteigen, so packen wir alles zusammen. Die Bleiakkus der Messmasten werden gewechselt. Die dreidimensionale Windgeschwindgkeit wird mit Hilfe fingerförmiger, sich gegenüberstehenden Ultraschallsendern/-empfängern gemessen.

Sonntagmittag treffen wir uns bei UNIS (ein großartiges Gebäude) und packen. Logistik war ein wichtiger Bestandteil der Messkampagne. Viele Menschen, Gerät und Kleidung musste hierher, dann hin und her geschafft werden.

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Alles prima. Der Autopilot hat das Flugzeug die ganze Woche zuverlässig gesteuert und Daten gesammelt, mit denen nun gearbeitet wird. Gestartet und gelandet sind wir wie immer manuell. Das erlaubt ein stufenweises Einschalten/Testen des Autopiloten und eine präzise Landung an der Bodenstation neben der Straße. Im Schnee zählt jeder nicht gelaufene Meter.

Nach einer Übernachtung in Oslo geht morgens über den Wolken der Ostsee die Sonne auf. So hell.

Blackout

Bei der täglichen Nachbesprechung am Morgen wird es plötzlich dunkel im Lehrsaal. Der Strom ist weg. Das passiert nicht häufig, aber hin und wieder. Am Rande von Longyear steht ein Kohlekraftwerk, das alles mit Strom und Fernwärme versorgt. Im Ort verteilt gibt es einige Heizstationen, die zumindest für die Wärme einspringen können. Für den absoluten Notfall existiert ein Evakuierungsplan per Luftbrücke. Wir behelfen uns mit Taschenlampen und Kreide.

Der Rettungshubschrauber macht Übungen mit der Winsch über dem Vorfeld, während wir abends auf die Rückkehr der 7-Uhr Maschine warten.

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Unser Hangar im Flughafen wurde früher von Aeroflot genutzt. Es stehen noch kyrillisch beschriftete Kisten herum. Sehr unangenehm ist ein großer, lauter Kompressor, der ständig zischt und sich alle paar Minuten mit viel Drama einschaltet.

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Es geht an den Strand, um Ovale über dem Fjord und dem Land zu fliegen. Das Flugzeug misst 70% Luftfeuchtigkeit. Das ist in absoluten Mengen nicht viel. Bei Zimmertemperatur in den Gebäuden sind es nur 15%. Man möchte ständig trinken, die Haut ist rauh und spröde. Der Flugzeugwerfer muss aufpassen, dass der Rumpf beim Starten nicht durch die Hände rutscht. Der Flieger fliegt ohne zu murren seine Runden.

Am Strand

Ging es bei der letzten Messkampagne um die meteorologischen Abläufe im Adventalen, so geht es diesmal um die Luft über und das Wasser in den Fjorden. Neben dem Wetterballon und SUMO sind Messmasten an der Küste aufgebaut, einige Studenten fahren mit dem UNIS Forschungsschiff Viking Explorer hinaus und lassen Sensoren ins Wasser hinab.

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Auch ein 2m langer „Glider“, ein ständig auf- und abtauchender autonomer Tauchkörper, ist mit von der Partie. Der zuständige Laptop bimmelt mit einer alarmierenden Schiffsglocke über den Gang, wenn über Iridium-Satelliten neue Daten ankommen.

Wir bauen unsere SUMO-Station am Wasser auf, um möglichst weit über den Fjord fliegen zu können. Die seichte Dünung sorgt für ein eigentümliches Gefühl von Sommerurlaub. Das Fliegen hat Routine, der Flieger leert 4 Akkus in 4 Stunden. Hin und wieder suchen wir die Gegend um uns mit einer hellen Lampe nach Eisbären ab.

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Gegen 21 Uhr wird über Funk nach Freiwilligen gefragt, die mit dem Schlauchboot hinausfahren möchten. Der Glider hat Feuchtigkeit im Inneren detektiert und soll sicherheitshalber eingeholt werden. Etwas später rast das kleine Boot den Fjord hinab an uns vorbei und bringt den Glider sicher zurück. Falscher Alarm.

Der Glider hat keine Schiffschraube, die Vorwärtsbewegung entsteht über seine Stummelflügel und Gewichtsverlagerung während das Ab- und Aufstiegs im Wasser. Das System hat sehr viele Ähnlichkeiten mit autonomen Fliegern. Es hat im Wasser nur mit widrigeren Bedingungen zu kämpfen und die Zeitintervalle sind viel länger – er kann über Monate im Meer navigieren.

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Wenn man sehr, sehr lange belichtet, bekommt man einen Hauch von Nordlichtern, Sterne, den verdeckten Mond und einen SUMO zu sehen.

Dunkel

Wenn man am späten Vormittag im tiefen Dunkelblau sehr lange belichtet, bekommt man sogar etwas Berge aufs Bild. Ansonsten ist es einfach dunkel. In ein paar Tagen gibt es nur noch den Mond. Beim Aufwachen muß man erst schauen, ob es wirklich schon Zeit ist. Komisch, letztlich ist es aber nicht viel anders als ein mitteleuropäischer Arbeitstag im Winter. Im Dunkeln hin, im Dunkeln zurück, nur der erleuchtete Weg zur Kantine fällt weg. Könnte aber gut sein, dass es Langzeiteffekte gibt.

Daten von OpenStreetMap

Der Fesselballon steht ein paar hundert Meter von unserer SUMO-Station Richtung Westen an der Küste, er steigt kontinuierlich auf 1000m und wird wieder eingeholt. Die Ballonbodenstation wird jetzt oben im Flughafen aufgebaut. Dorthin ziehen wir uns nach dem ersten SUMO Flug zurück, es muss etwas Software gehackt werden.

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Im Flugzeug sind drei Rechner: Der Autopilot, ein Datenlogger und ein (kommerzieller) Datenwandler für die 5-Loch Sonde (Durchmesser: 3mm). Leider liefert der plötzlich keine Daten mehr, das hatten wir noch nicht. Mit dem Laptop sehen wir, dass keine SD Karte gefunden werden konnte. Ohne Karte geht es zunächst (huh?), dann der gleiche Fehler. Wir bauen ein zusätzliches Statusbit ein, damit können wir eine Fehlfunktion erkennen und ggf. den Wandler vor dem Start nochmal booten.

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Danach klappt alles wie am Schnürchen. SUMO fliegt wieder Profile (Kreise auf verschiedenen Höhen) über Land und Meer, dann Ovale dazwischen. Zuletzt Ovale ausschließlich über dem Meer. Wir gewinnen mehr Vertrauen in die Akkus und kommen auf Flugzeiten von über 45 Minuten. Das schmälert leider die Anzahl-der-Flüge Statistik.

Silberstreif

Der primäre Flieger war gestern im Flug etwas unpräzise, daher gleichen wir tagsüber Drehraten- und Beschleunigungssensoren nochmals ab. Die Akkus waren zu kalt, daher gab es nur kurze (15 Minuten) Flüge. An der Flugzeugspitze laufen vor dem Akku die Druckschläuche in den Rumpf, dort dichten wir mit zusätzlichem Schaumstoff. Der Wärmeschott am Autopiloten wird erneuert. Für die Akkulagerung isolieren wir eine Plastikkiste mit Schaumstoff und legen Wärmepads zwischen die Lithium-Polymer Akkus.

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Gegen sieben geht es raus. Sensoren aufschrauben am Flughafen und runter an den Campingplatz am Fjord. Der Kofferraum eines Bullis ist unsere Basis. Wir testen neue Akkus von HK, die zwar weniger (aber ausreichend) Strom liefern können, dafür bei gleichem Gewicht 50% mehr Kapazität als die bisherigen Favoriten von SLS bereitstellen. Sie bewähren sich auch unter diesen Bedingungen. Wir erreichen Flugzeiten von über 40 Minuten und haben 10% Reserve. Die Flieger funktionieren gut, drehen zuverlässig ihre Runden über Meer und Land.

Ein Fischtrawler fährt vor uns im Fjord hell erleuchtet auf und ab. Über der Wasseroberfläche liegt eine dünne Nebelschicht. Die Lufttemperatur ist -14°C, der Boden -20° und der Fjord -3°C. Das ist nicht unfassbar kalt, aber unangenehm. Besonders dann, wenn man mehr oder weniger regungslos dasteht, in den Himmel schaut und auf dem Boden steht. Richtig fies wird es, wenn Wind aufkommt. Thermoskannen helfen nicht nur etwas warmes, sondern auch etwas nicht-gefrorenes zu trinken.

Fliegen am Flughafen

Es hat etwas von einem Urlaub, den man jedes Jahr am gleichen Ort verbringt. Wir beziehen unseren Raum bei UNIS. Einige Dinge stehen noch da im Regal, wo wir sie hinterlassen haben. Es sind drei Flugzeuge vor Ort. Eins ist bereits mit dem 5-Loch Turbulenzsensor und dem schnellen Feindraht-Thermometer ausgestattet. Ein zweites Flugzeug wird als Ersatz damit ausgerüstet.

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Die Fluggenehmigung (vorerst nur in Sichtweite) wurde schon vor ein paar Wochen erteilt. Es kann sofort losgehen. Am Flughafen hat UNIS einen kleinen Hangar gemietet, in dem auch der Fesselballon geparkt wird. Am Sonntag wurde er zu Fuß von der alten Polarlichtstation dorthin begleitet.

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Die letzte Maschine, eine weiße Do-228, landet um 7 vor unserem Hangar und es kann losgehen. Der schnelle Temperatursensor wird angebracht und begeben uns hinunter ans Wasser. Statt der Schneescooteranzüge gab es diesmal Arbeitsanzüge. Damit kann man sich besser bewegen (besonders das Flugzeug mit der Hand starten). Wenn man aber länger unbewegt im Wind steht, sind sie etwas kühler. Die werden morgen getauscht.

Im ersten Flug absolviert der SUMO souverän Testkreise und wird auf dem beinahe schneefreien Weg gelandet. Es scheppert etwas, der Platinfaden bleibt aber in einem Stück. Im zweiten Flug fliegt er Profile in drei Höhen über Land und Fjord und danach Ovale über Land und See. Bei der Landung im Schnee bleibt der Platindraht wieder ganz, allerdings geht die Klappluftschraube zu Bruch. Das hatten wir noch nicht. Die Fesselballonwinde kommt mit der Wankelmütigkeit des Stromgenerators nicht ganz klar, gegen 11 fahren wir zurück nach Longyear.

Angekommen

Es war wie ein großes Déjà vu. Alles läuft exakt so ab wie vor 8 Monaten. Start in Oslo, in Tromsø raus, durch die Passkontrolle und über das Vorfeld zurück zum Flieger stapfen, Landen in Longyearbyen.

Man verlässt den Flieger und es schlägt einem kalte, trockene Luft entgegen. Nicht dieses matschig-nasse Schneeschmuddelwetter, mit dem Winter normalerweise anfängt. Nein, so richtig kalt und mit knirschendem Schnee. Jede Berührung mit Metall endet mit einem elektrostatischen Blitz.

Wir bringen die Koffer ins Guesthouse und sehen im Supermarkt die Leute aus dem Flieger. Es ist etwas leerer, keine anderen Flugzeuge auf dem Vorfeld, der Bus fast leer.

Und es ist dunkel. Eine halbe Stunde vor der Landung verschwand die Sonne. Man kann die Berge hier im Wiederschein der Stadt erahnen, der Mond schafft es kaum durch die Wolken. Mit einer LED-Lampe bekommt man etwas LEGO beleuchtet, mehr nicht.

Das Verlassen der Komfortzone

Wir sind wieder auf dem Weg nach Spitzbergen, um dort mit der Universität SUMOs zu fliegen. Die erste Etappe hat uns erneut bis zum Flughafenhotel in Oslo gebracht. Über allem liegt ein feiner Geruch von Kerosin. Morgen früh geht es weiter.

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Es ist mit +8°C ähnlich herbstlich wie in Deutschland, etwas diesiger. Aber nicht winterlich.

IMAV2014 Konferenz

In Delft/Niederlande fand die IMAV 2014 Konferenz nebst Flugwettewerb statt. Das Paparazzi Projekt ist eng verbunden mit dieser Veranstaltung, die Wettbewerbe waren immer wichtige Meilensteine für die Entwicklung. Es ist der Treffpunkt nicht nur für viele Paparazzi Entwickler.

Das Bild zeigt Piotrs komplett autonomenen Paparazzi Lisa/S.

Fliegen an sich ist seit einiger Zeit nicht mehr das Hauptthema. Die Aufgaben sind komplexer und erfordern Arbeit auf höheren Ebenen wie der Bildverarbeitung. Es ist eine Tendenz zu fertigem Gerät sichtbar, das Herstellen der Fluggeräte steht nicht mehr im Fokus.

Ausklang

Es soll geflogen werden, der Tower stellt aber erst ab 18:30 einen freien Luftraum in Aussicht. Die Dinge im Büro bei UNIS werden zusammengepackt, Studenten kommen vorbei und stellen Fragen zu der benutzten Sensorik. Um 17 Uhr der Anruf, wir könnten jetzt fliegen, der Flug von der kleinen Siedlung Svea bei der Kohlegrube auf Spitzbergen ist ausgefallen.

Die Station ist außerhalb des Ortes und so sind eine Signal- bzw. Knallpistole und ein Gewehr vorschrift. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht vollkommen unmöglich, dass man einem Eisbären begegnet. Man würde aber unter allen Umständen versuchen, nicht schießen zu müssen.

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Anhand der wackelnden Webcam war es zu erahnen: Draußen im Tal stürmt es, daher entfiel wohl auch der Svea-Flug. Der Windmesser am Mast zeigt 13m/s. Am Boden bläst es einem Schnee ins Gesicht. Die Dunkelheit bricht heran, wir versuchen es dennoch mit einem Kameraflug als Test. Es pustet sehr heftig, das Flugzeug misst 17m/s auf 100m. Gegen den Wind müssen wir maximale Geschwindigkeit einstellen, um nicht rückwärts zu fliegen. Der Wind türmt riesige Berge auf.

Vor der Hütte

Das Flugzeug kann gerade so noch sicher fliegen, aber Messungen machen nicht viel Sinn, schon gar nicht mit den empfindlichen Sensoren. Die Präzision ist miserabel, das Flugzeug wird von den Böen arg hin und hergeworfen. Auf Besserung lässt die Vorhersage nicht hoffen. So landen wir schweren Herzens und verabreden uns auf ein Bier.

Wir packen an der Station, bei UNIS und schließlich im Guest House. Der Inhalt der letzte Gefriertüte wird in der Pfanne gebraten und es geht raus zur Kneipe. Die Gastwissenschaftler haben einen Blick in die Daten geworfen und sind erstmal glücklich mit den Werten von der Nacht zuvor. Die Unterschiede Land/See sind signifikant. Wir standen nicht umsonst in der Kälte.